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Brig – von Gletschern, Drachen und heissen Marroni

Zwischen Bern und Mailand, Genfersee und Gotthard – Brig ist der Verkehrsknotenpunkt des Wallis. Doch auch Aussteigen lohnt sich: ein winterlicher Spaziergang vorbei an alten Holzspeichern, durch gemütliche Cafés und ein modernes Gletschermuseum.

«Heissi Marroni – chauds les marrons, chauds, chauds!» Der Empfang in Brig ist trotz Kälte sehr warm: Gleich ausserhalb des Bahnhofsgebäudes steht Urban Häne mit kariertem Hemd und schwarzem Käppi in seinem Unterstand aus braun-orange gestreiftem Sonnenstorenstoff. Seine grossen Hände verteilen die Edelmarroni gleichmässig auf  der heissen Fläche. Seit 30 Jahren verkauft der Wahlwalliser, der ursprünglich aus dem Toggenburg stammt, in Brig Marroni. «Weil ich den Kontakt mit den Kunden liebe – und aus Liebe zu richtig guten Marroni», wie er sagt. Verkaufen ist seine Leidenschaft: Schon als Junge fährt er lieber auf den Markt, als die Schulbank zu drücken. Als er 18 wird, macht er sich selbstständig, verkauft Softeis, stellt gebrannte Mandeln her. Urban Häne schwört auf grosse, feinfleischige Marroni aus Mittelitalien, die er selber importiert. Die Kunden wissen dies zu schätzen: «Ich habe einen Kunden, der seit 30 Jahren jeden Samstag von Genf zu mir fährt, um ein halbes Kilo Marroni zu kaufen», erzählt er stolz.

Unseren Tagesausflug wollen wir in zwei Etappen teilen: hinter dem Bahnhof und vor dem Bahnhof. Sprich: Naters und Brig. Heute sind die beiden Ortschaften zusammengewachsen. Früher lag ein breites Sumpfgebiet dazwischen, in dem sich der Rotten, wie die Rhone hier heisst, immer wieder neu seinen Weg bahnte. Seit der Begradigung des Flusses zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind das Dorf und die Stadt immer näher zusammengerückt. Wir verlassen den Bahnhof also auf der Nordseite. Nach fünf Minuten gelangen wir zu einem rot planierten Velo- und Spazierweg. Er führt auf dem Trassee der ehemaligen Furka-Oberalp-Bahn quer durch Naters. Die Eisenbahn hat das Leben im Oberwallis schon immer stark mitgeprägt: 1878 erfolgte der Anschluss gegen Westen, 1906 wurde der erste Simplontunnel eröffnet, 1913 folgte die Lötschberg-Bergstrecke und 1914 die Schmalspurstrecke ins Goms, welche 1926 nach Fertigstellung der Furka-Bergstrecke bis nach Disentis verlängert wurde. Somit waren alle vier Himmelsrichtungen per Bahn erschlossen.

Alte Holzspeicher und moderner Findling

Wir treten in die engen Gassen des alten Dorfkerns: Die Dächer der Häuser sind aus Steinplatten, die Holzfassaden von der Sonne schwarz gebrannt, verziert mit Holzkreuzen oder Laternen. Auf beleuchteten Tafeln werden fünf alte Sagen erzählt: oft gruselige Geschichten von armen Seelen oder bösen Drachen. Der Name Naters soll von Natter (Schlange) oder eben Drachen kommen. Das Zentrum des Dorfes bildet die katholische Pfarrkirche St. Mauritius. Die weiss getünchte Fassade ist mit schwarzen Elementen ausgeschmückt, der romanische Teil des Kirchturms stammt aus dem 12. Jahrhundert. Unter einer Laterne hängt kunstvoll aus Metall geformt wiederum ein Drache an der Wand. Unter einem beidseitigen Treppenaufgang öffnet sich ein paar Schritte weiter der Blick ins Gebeinhaus: «Was ihr seid, das waren wir. Was wir sind, das werdet ihr» steht in schwarzen Lettern über einer Wand aus Hunderten von Schädeln.

Das Eindrückliche: Nur einen Katzensprung von hier findet das moderne Leben in Naters statt – rund um das im September 2016 eröffnete World Nature Forum. Das Besucherzentrum des Unesco-Welterbes Swiss Alps Jungfrau-Aletsch fällt auf: ein grosses, helles Gebäude mit unregelmässig verteilten Fenstern und abgeschrägten Ecken. «Die Architektur soll an einen grossen Findling erinnern, der vom Gletscher ins Tal transportiert wurde», erklärt uns die Frau am Empfang, «denn in der Würmeiszeit lag auch hier, wo wir jetzt stehen, eine Schicht aus drei Kilometern Eis.» Das Thema Gletscher zieht sich durch die Ausstellung: Im Treppenbereich schimmert das Licht durch blaue Tücher wie unter dem Eis, der Sagen-Bereich ist als Gletscherspalte gestaltet. Eines der Highlights: In einem alten Originalwagen der Jungfraubahn kann man eine Fahrt über den Grossen Aletschgletscher per Projektion miterleben. Die Strecke vom Süden über den Konkordiaplatz auf das Jungfraujoch war 1907 tatsächlich geplant – die Teile über den Gletscher per Schlitten. Das Projekt wurde aber als zu gefährlich eingestuft und zu Beginn des Ersten Weltkriegs definitiv aufgegeben.

 

Farbtherapie für den Winter

Nach dem abschliessenden Besuch des Panoramaraums mit zwölf Meter breiter Leinwand treten wir wieder auf den modernen Platz hinaus. Hinter der gegenüberliegenden Glasscheibe locken Cupcakes und warme Schokolade: Das Café Zuckerpuppa ist ein Integrationsprojekt, in dem auch Menschen mit Beeinträchtigung arbeiten. Die Einrichtung ist modern, die Stühle leuchten pink, gelb und türkis. «Eine richtige Farbtherapie für den Winter!», erklärt die Besitzerin.

Wir verabschieden uns von Naters, queren den Rotten und treten in die Stadt: Die Bahnhofstrasse von Brig ist lebhaft, langsam finden sich die Menschen zum Mittagessen in den Restaurants ein. Uns zieht es ins traditionelle Hotel du Pont: In der heimeligen Holzstube wärmen wir uns auf und bestellen Käseschnitte mit Schinken und Ei. Der Blick geht direkt auf die Saltinabrücke – einen geschichtsträchtigen Ort. Am 24. September 1993 stieg der Pegel der Saltina nach heftigen Niederschlägen massiv an. Baumstämme und Geröll versperrten das Flussbett und der reissende Wasserstrom suchte sich einen Weg mitten durch die Stadt und füllte die Strassen mit Schlamm und Geröll.

Neid, «der älteste Walliser»

Gestärkt machen wir uns auf zum bekanntesten Gebäude von Brig: dem Stockalperpalast. Drei Türme mit vergoldeten Zwiebelhauben, doppelte Reihen von Bogengängen, zwei alte Kutschen im imposanten Innenhof – kaum zu glauben, dass dies ein Privatgebäude war. Errichten liess es Kaspar Stockalper: Der gewiefte Kaufmann baute sich Mitte des 17. Jahrhunderts ein Handelsimperium auf. Er hatte die Monopole für Lärchenharz, Schnecken, Terpentinöl und Salz und profitierte von der strategisch wichtigen Lage von Brig wischen den Grossmächten Frankreich, Spanien und Italien. Als umtriebiger Politiker verhandelte er geschickt in sieben Sprachen. Doch wie ein Sprichwort sagt, ist Neid der älteste Walliser, und so vertrieben ihn seine Widersacher 1679 nach Domodossola. Heute befinden sich im Stockalperpalast das Standesamt, Ausstellungsräume und Teile der Stadtverwaltung.

Gemütlich schlendern wir durch die Altstadt mit ihren pastellfarbenen Fassaden zurück zum Bahnhof – und gönnen unseren kalten Händen vor der Heimreise eine Tüte heisse Marroni.

 

Text: Mia Hofmann
Bilder: Anita Vozza, zVg

Video

Filmbeitrag mit weiteren Tipps zu Brig

Bahnhof Brig 

Aussteigen möglich seit: 1. Juli 1878. Täglich 151 Gelegenheiten mit der Bahn
Kanton: Wallis
Höhe über Meer: 677,7 m
Nächste Anschlüsse: Matterhorn-Gotthard-Bahn nach Fiesch–Oberwald–Andermatt oder Visp–Zermatt, Glacier Express nach Zermatt oder Chur/St. Moritz, Buslinien in die Seitentäler, Rhone-Veloroute, Wanderwege, Mobility
Nachtnetz: ja (bettmobil.ch)
Aussteigen mit dem Rollstuhl: ja
Persönliche Beratung: ja, beim BLS-Reisebegleiter im RegioExpress Lötschberger oder im Tourismusbüro Brig Simplon gegenüber dem Bahnhof

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