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«Heute sind wir näher beim Kunden»

Die BLS Cargo AG, Markenname «Die Alpinisten», schreibt gerade eine Erfolgsgeschichte. Das hat viele Gründe. Dazu zählen die europäische Ausrichtung und die Partnerschaft mit SNCF. Vor allem aber ist die Belegschaft mit Leidenschaft bei der Sache.

Maurizio Racco hat einen einsamen Job. Trotzdem möchte er ihn gegen nichts tauschen. An diesem Abend dauert seine Schicht von 21 Uhr bis 6 Uhr morgens, am Güterbahnhof-Terminal Domo 2 nahe Domodossola (I). Zwölf Güterzüge muss er in dieser Nacht abschreiten und kontrollieren, jeder rund 600 Meter lang und bis 1700 Tonnen schwer: Ist die Ladung gut verpackt? Stimmen Höhe und Breite, damit es bei Tunneldurchfahrten keine Probleme gibt? Funktionieren die Bremsen und sind alle gelöst? Mit seinem Metallstab schlägt er an jedes Rad und erkennt am Klang, ob es Risse im Metall hat. Nein, sagt Maurizio Rocco, die Einsamkeit mache ihm nichts aus, ganz im Gegenteil: «Ich habe hier draussen meine Ruhe und weiss genau, was ich zu tun habe. Das passt.» Er hat das Bahngeschäft von der Pike auf gelernt, zuvor auch als Rangier-Lokführer gearbeitet. Seit 2006 ist er bei BLS Cargo Italien einer der «Verificatori», welche die Güterzüge draussen auf den Gleisen vor der Abfahrt kontrollieren.

Klebebänder und Lufterfrischer

Drinnen im Büro sitzt Margherita de Palma, auch sie ist seit dem Start von BLS Cargo Italien vor zwölf Jahren dabei. Ihre Aufgabe: Als eine der «Formatori» erfasst sie unter anderem die Ladung der Güterzüge und reicht die entsprechenden Frachtpapiere den Zollbehörden weiter. Zum Beispiel für Zug Nummer 43708 des kombinierten Verkehrs von Domodossola nach Karlsruhe. Gebucht hat ihn das Logistikunternehmen DB Schenker. Im Lauf des Tages brachten Lastwagen die Container nach «Domo 2», wo sie mit einem Lastkranfahrzeug, das bis zu 30 Tonnen heben kann, auf den Zug verfrachtet wurden. Darin geladen sind unter anderem Klebebänder, Reis, Lufterfrischer und leere Fässer. Margherita de Palma gefällt ihre Arbeit bei der Tochtergesellschaft der BLS Cargo AG – auch weil «im Schweizer Unternehmen alles so gut organisiert ist», wie die Italienerin mit einem Schmunzeln anmerkt.

Um 23.22 Uhr steht das Signal auf grün, der «Schenker-Zug» macht sich auf die Reise: via Simplon, Lötschberg, Spiez, Basel Badischer Bahnhof nach Karlsruhe. Für diesen Zug ist BLS Cargo sogenannter Hauptfrachtführer, das heisst vom Abgangs- bis zum Bestimmungsbahnhof verantwortliche Vertragspartnerin. «Wir sind während des gesamten Transports der einzige Ansprechpartner für den Kunden», sagt Samuel Etter, Leiter Fläche bei der BLS Cargo AG. Als solcher ist er Chef von BLS Cargo Deutschland und Italien und eines mobilen Einsatzdienstes, der ausrückt, wenn es auf Schweizer Schienen technische Probleme mit BLS-Güterzügen gibt. BLS Cargo habe den Anteil direkter Kunden in den vergangenen Jahren laufend ausgebaut. Betrug er 2013 lediglich 17 Prozent, so sei BLS Cargo heute bei mehr als der Hälfte der Züge für den gesamten internationalen Transportweg verantwortlich. «Damit sind wir näher beim Kunden», hält Samuel Etter fest.

2017: Rekordumsatz

Von Kaldenkirchen (D) nach Domodossola (I), von Rotterdam (NL) nach Novara (I) oder von Antwerpen (B) nach Busto (I): BLS Cargo-Züge verbinden die wichtigsten Güterhotspots in ganz Europa. Das Kernangebot des Unternehmens sind Ganzzüge im unbegleiteten kombinierten Verkehr, im Wagenladungsverkehr und bei der Rollenden Autobahn im Transit durch die Schweiz. Zudem fahren die «Alpinisten» Ganzzüge innerhalb der Schweiz sowie im Import- und Exportverkehr. BLS Cargo schreibt gerade eine Erfolgsgeschichte. Das darf man so sagen, weil es eines von wenigen Schienen-Transportunternehmen in Europa ist, das schwarze Zahlen vorweisen kann. Mit 17 529 gefahrenen Zügen resultierte 2017 ein Rekordumsatz von über 200 Millionen Franken. Daraus ergab sich ein Jahresgewinn von knapp dreieinhalb Millionen Franken, 1,5 Millionen mehr als im Vorjahr – und das erst noch in einem turbulenten Jahr.

Dazu später mehr. Erst soll hier von den Gründen für den Erfolg die Rede sein. Einer davon ist der erwähnte Ausbau des Anteils direkter Kunden in den vergangenen Jahren. Früher fuhr BLS Cargo im Auftrag einer anderen Bahn oftmals nur innerhalb der Schweiz von Grenze zu Grenze. Das änderte sich zunehmend, als die DB Schenker Rail Ende 2014 als Aktionärin ausschied und damit auch ein grosser Teil der Aufträge wegfiel. Seither tritt BLS Cargo als alleinverantwortliches Transportunternehmen auf.

Prunkstück von Siemens

Das ist mit wachsenden Herausforderungen verbunden: «Steigt beispielsweise die Rangierlokomotive im Terminal in Holland aus, müssen wir den Kunden über die Verspätung informieren, den Zug neu planen und über unsere Partnerbahnen im Ausland für Ersatz der defekten Lokomotive sorgen», sagt Kundenberater Luciano Moscatello (siehe Interview). Die Anzahl Züge bewegt sich heute zwar auf einem tieferen Niveau, allerdings steigt für die BLS die Wertschöpfung – unter anderem deshalb, weil sie vermehrt die eigenen Lokomotiven grenzüberschreitend einsetzen kann.

BLS Cargo verfügt insgesamt über 55 Mehrsystemlokomotiven. Diese sind mit den nötigen Traktions- und Zugssicherungssystemen ausgerüstet, um länderübergreifend fahren zu können. Jüngstes Prunkstück dieser Flotte ist die Re 475, von welcher BLS Cargo 15 Stück bei Siemens in München bestellt hat. Seit Anfang 2018 sind alle im Einsatz. Das Besondere an den Fahrzeugen: Sie ermöglichen die Fahrt durch den ganzen Nord-Süd-Korridor, von den Niederlanden bis nach Italien.

Zur Erfolgsgeschichte gehört auch, dass die BLS für ihr Tochterunternehmen erneut einen starken internationalen Partner gefunden hat: 2017 übernahm SNCF Logistics, der Eisenbahn-Logistiker aus Frankreich, ein 45-Prozent-Aktienpaket von BLS Cargo. Eine Partnerschaft, von der beide Seiten profitieren: BLS Cargo erhält durch den neuen Teilhaber Zugang zum grossen Partnernetzwerk der SNCF-Gruppe in Europa. Diese ist mit ihren Captrain-Tochtergesellschaften besonders stark in Italien und Deutschland positioniert: Captrain Deutschland und Captrain Italia gehören nach den jeweiligen Staatsbahnen zu den zweitstärksten Akteuren in den beiden Ländern. SNCF Logistics wiederum profitiert, weil das Unternehmen mit dem Einstieg bei BLS Cargo eine strategische Lücke schliesst. Denn in der Schweiz und im kombinierten Verkehr auf der Nord-Süd-Achse war SNCF Logistics bisher weniger stark tätig.

Stark in der Krise

Die Zusammenarbeit startete denn auch vielversprechend. BLS Cargo wurde im Herbst 2017 mit einer Herkulesaufgabe konfrontiert: Wegen einer Gleisabsenkung auf der Rheintalstrecke bei Rastatt (D) war der Nord-Süd-Transit während Monaten gesperrt. Schnell einmal hatten die Verantwortlichen bei BLS Cargo die Idee, Züge über Deutschland und auch über Frankreich umzuleiten. SNFC half mit französischen Loks und Lokführern aus, auch die deutschen Partnerbahnen sprangen ein. So konnte die Hälfte der ausgefallenen BLS Cargo-Güterzüge nach wenigen Tagen wieder fahren – zu einem Zeitpunkt, da sich andere von der Sperre betroffene Bahnunternehmen noch immer schwertaten.

«Rastatt war eine riesige Herausforderung für uns. So etwas darf nie mehr passieren», hält Kommunikationsleiterin Stefanie Burri fest. Deshalb setze sich BLS Cargo unter anderem dafür ein, dass für die wichtigen Güter-Transitachsen Alternativen zur Verfügung stünden. So wie in der Schweiz: Mit den beiden NEATTunneln am Lötschberg und Gotthard bestehen zwei Achsen für den Transitgüterverkehr. Wenn auch der Lötschberg-Basistunnel ohne weiteren Ausbau nicht die volle Leistungsfähigkeit aufweise, so Burri: «Der Vollausbau des Lötschberg-Basistunnels ist deshalb wichtig.»

Für das Meistern der aussergewöhnlichen Situation im vergangenen Herbst seien dem Unternehmen neben den verlässlichen Partnern aber noch andere wichtige Eigenschaften zugutegekommen, ergänzt Burri: «Wir haben gute Organisationsstrukturen, flache Hierarchien, kurze Entscheidungswege und bewegliche Mitarbeitende, die bereit sind, gerade in solchen Situationen ausserordentlichen Einsatz zu leisten.»

«Pünktlich in Karlsruhe»

Das Engagement wurde geschätzt – und hat sich gelohnt: BLS Cargo konnte seither mehrere neue Kunden für sich gewinnen. Natürlich gab es auch einen Wermutstropfen: «Ohne die Sperre wäre der Jahresgewinn 2017 um zwei Millionen Franken höher ausgefallen», sagt Stefanie Burri.

Unter dem Strich bleiben trotzdem zufriedene Kunden. So wie beim Schenker-Zug Nummer 43708 von Domodossola nach Karlsruhe. Der fuhr mit zwei Stunden Verspätung in Domo 2 ab, auch weil der Kunde die Ware zu spät angeliefert hatte. Unterwegs konnte er eine Stunde aufholen und traf um 6.51 Uhr in Karlsruhe ein. «Das geht in Ordnung», sagt Samuel Etter. «Eine Stunde Verspätung gilt im Cargo-Geschäft gerade noch als pünktlich.»

Text: Peter Bader
Bilder: Manu Friederich, BLS

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