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Brand im Tunnel: Ein Wettlauf gegen die Zeit

Brennt im Lötschberg-Basistunnel ein Zug, zählt jede Minute. In einer grossangelegten Rettungsübung mit rund 1’000 Personen hat die BLS zusammen mit der Polizei und weiteren Partnern genau dieses Szenario geübt – und gezeigt, dass die Rettungskonzepte funktionieren.
From Stefan Locher
at 25.11.2025

Ein verschneiter Samstagmorgen in Frutigen: Besetzt mit rund 450 Fahrgästen fährt der doppelstöckige InterCity-Zug in den Lötschberg-Basistunnel. Wenige Minuten später kommt es im Bordrestaurant zum Brand. Dichter Rauch versperrt die Sicht, verletzte Menschen versuchen in benachbarte Wagen zu flüchten und beschädigen die Verbindungstüren – der Rauch breitet sich rasant aus. Eigentlich sollte der Zug jetzt so rasch wie möglich aus dem Tunnel fahren. Aufgrund einer Fahrzeugstörung kommt er jedoch mitten im 34,6 Kilometer langen Tunnel zum Stillstand. 

Was sich wie ein Albtraum liest, ist zum Glück nur das Szenario für die grossangelegte Rettungsübung vom Samstag, 22. November 2025. Die dramatischen Szenen hat sich unter anderem Benjamin Känzig, Gesamtübungsleiter der BLS, ausgedacht. Gemeinsam mit Martin Rohr von der Kantonspolizei Bern und Alexandre Guentert vom Kantonalen Amt für Bevölkerungsschutz des Kantons Wallis ist er für die Organisation und Durchführung der Übung verantwortlich. «Ziel ist es, die erforderlichen Evakuierungszeiten bei einem Notfall zu überprüfen sowie die Abläufe und die Zusammenarbeit der beteiligten Organisationen zu festigen», erklärt Benjamin.

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Gemeinsam mit Benjamin Känzig schauen wir auf die Übung zurück.

Einer der sichersten Eisenbahntunnel

Seit der Eröffnung im Jahr 2007 kam es im Lötschberg-Basistunnel noch nie zu einem ernsten Zwischenfall. Dennoch führt die BLS gemeinsam mit Partnern des Bevölkerungsschutzes einmal im Jahr eine Übung durch. Eine grossangelegte Rettungsübung, wie an diesem Samstag, findet etwa alle zehn Jahre statt. Dafür hat die BLS den Lötschberg-Basistunnel für einen halben Tag für den Bahnverkehr gesperrt. Die Züge werden in dieser Zeit über die Bergstrecke umgeleitet.

Rund 1’000 Menschen wirken bei der Übung mit. Davon etwa 450 Einsatzkräfte der BLS, SBB, Kantonspolizeien, Feuerwehren, Rettungsdienste, Samariter, Care-Teams sowie des Zivilschutzes. Die Rolle der Reisenden übernehmen rund 450 Freiwillige. Hinzu kommt Hilfspersonal wie Beobachtende, Mitarbeitende der Übungsleitung und Sicherheitspersonal. Die Organisation ist eine logistische Meisterleistung.

Innerhalb von 2,5 Stunden alle Passagiere evakuieren

Um 12 Uhr löst die Betriebszentrale in Spiez den Alarm aus. Über eine direkte Schnittstelle werden sämtliche beteiligte Organisationen binnen weniger Minuten aufgeboten. Für die Einsatzkräfte beginnt nun ein Wettlauf gegen die Zeit: Alle Passagiere müssen innerhalb von 2,5 Stunden aus dem Tunnel evakuiert sein. Die Gesamteinsatzleitung übernimmt die Kantonspolizei Bern. Sie koordiniert die Einsatzkräfte vor Ort, übernimmt die Ereigniskommunikation und klärt die Unfallursache.

Verschiedene Rettungskonzepte im komplexen Tunnelsystem

Weil der Tunnel unterschiedlich ausgebaut ist, gibt es, je nachdem, wo im Tunnel der Zug stehen bleibt, verschiedene Rettungskonzepte. Für die Übung haben die Organisatoren ein besonders anspruchsvolles Szenario gewählt: Der Zug befindet sich in einem Einspurabschnitt, wo die zweite, parallel verlaufende Tunnelröhre im Rohbau ist. Die Reisenden müssen hier mit Postautos aus dem Tunnel geholt und nach Frutigen gebracht werden.

Verantwortlich für die Rettung im Lötschberg-Basistunnel ist die Intervention BLS in Frutigen, zusammen mit der Intervention SBB in Brig. Beladen mit je 52’000 Liter Löschwasser und Sauerstoffversorgung mit Luft für vier Stunden, fahren die Lösch- und Rettungszüge von beiden Seiten zum Unfallzug im Tunnel. Neben Feuerwehrleuten fahren auch Rettungssanitäter mit, um die Schwerverletzten so schnell wie möglich zu versorgen. 

Verletzte auf Bestellung

In Frutigen treffen unterdessen die ersten Postautos ein. Rettungskräfte triagieren die Fahrgäste direkt in den Bussen und bringen die Verletzten in die grosse Halle des Interventionszentrums. Hier werden sie von den Sanitäterinnen und Sanitätern versorgt und anschliessend in die Spitäler transportiert. Es ist nichts für zarte Gemüter: Schreie, offene Wunden und Blut, wohin man schaut. Damit alles so echt wie möglich wirkt, wurden die Freiwilligen vor ihrem Einsatz aufwändig «moulagiert», wie es im Fachjargon heisst. Mit Pflaster, Wachs und Kunstblut hat ein spezialisiertes Team der Samariter Verbrennungen, Brüche und Schnittwunden täuschend echt nachgebildet. Alles fein säuberlich geplant, jede Verletzung entspricht genau dem Drehbuch. Insgesamt 85 Verletzte hat der Rettungsdienst bestellt, so dass die Beübten möglichst viel lernen können. «Die Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter müssen eine grobe Sichtung vornehmen und schnell erkennen können, wie schwer die Patienten verletzt sind», erklärt Shila Jampen, Übungsleiterin beim Rettungsdienst. Neben der genau definierten Verletzung erhielten die Freiwilligen auch exakte Rollenanweisungen.

Während die Verletzten versorgt werden, bringen die Postautos die übrigen evakuierten Fahrgäste in die nahe gelegene Sporthalle Widi. Dort kümmert sich das Care-Team gemeinsam mit dem Zivilschutz um Passagiere, die psychologische Betreuung brauchen.

Mit dem Ergebnis zufrieden

Nach einem intensiven Tag zeigt sich Benjamin Känzig zufrieden: «Grundsätzliche Probleme gab es keine. Die Zusammenarbeit entlang der gesamten Rettungskette hat gut funktioniert und die vorgesehenen Evakuationszeiten konnten eingehalten werden». Die Ergebnisse werden in den kommenden Wochen detailliert ausgewertet und die Rettungskonzepte optimiert. Konzepte, die man hoffentlich nie für einen Ernstfall braucht.

Einsatzbereit für den Ernstfall

Wenn die Züge nicht mehr rollen, kommt die Intervention BLS in Fahrt. Als «BLS-Feuerwehr» steht sie rund um die Uhr bereit. Ihr Ziel: Den Bahnbetrieb im Kanton Bern während und nach Ereignissen sicherstellen. Dafür braucht es technisches Knowhow, Bahnwissen, Feuerwehrkompetenz und eine gute Portion Improvisationstalent.

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