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«Mit der BLS schnell, bequem und direkt ans Ziel»

Die BLS bewirbt sich für einige Linien des Fernverkehr-Geschäfts. Der Bund vergibt die entsprechenden Konzessionen neu. Bernard Guillelmon, CEO der BLS, erklärt im Interview, weshalb diese «Betriebsbewilligungen auf Zeit» für sein Unternehmen so wichtig sind.

gazette: Zwischen der BLS und der SBB ist ein Seilziehen um Bahnlinien im Gang. Was ist der Grund?

Bernard Guillelmon: Ende 2017 laufen in der Schweiz die Konzessionen für den Fernverkehr, also für die Langstrecken-Züge, aus. Statt dass der Bund alle Fernverkehrslinien wie bisher der SBB vergibt, erachten wir einen minimalen Wettbewerb als sinnvoll. Wir haben seitens der BLS gute Ideen entwickelt, die den öffentlichen Verkehr (ÖV) für die Fahrgäste verbessern. Und die möchten wir gerne umsetzen.

Worin liegt das Problem, wenn nur ein einziger Anbieter den Fernverkehr betreibt?

Der ÖV in der Schweiz ist auch deshalb so gut, weil es neben der SBB immer schon andere, innovative Bahnen wie die Rhätische Bahn oder die BLS gegeben hat. Der Vorteil einer Konkurrenzsituation liegt darin, dass sich die Bahnen mit guten Ideen für die Fahrgäste zu übertreffen versuchen.

Die BLS ist bis 2004 Züge im Fernverkehr gefahren, bevor sie sich dann auf die S-Bahn Bern konzentriert hat. War das ein Fehler?

Aus damaliger Sicht war es sinnvoll, die S-Bahn Bern weiterzuentwickeln. Wir haben S-Bahn-Linien übernommen, die in Bern nicht nur wenden, sondern die Regionen östlich und westlich des Hauptbahnhofs durchgehend verbinden. Das war damals eine schöne Aufgabe für die BLS. Im Prinzip versuchen wir nun die Idee der S-Bahn wieder aufzugreifen und auch überregionale Linien intelligent durch den Bahnhof Bern zu führen. So können die Fahrgäste den zweitgrössten Bahnknoten der Schweiz besser nutzen. Für die BLS gibt es aber nicht nur diese Kundensicht, sondern auch einen wirtschaftlichen Treiber: Wir brauchen mehr Zuglinien, damit wir unsere ohnehin anfallenden Kosten auf mehr gefahrene Kilometer verteilen können. Das heisst, wir können unsere Züge besser nutzen. So erhalten Fahrgäste und die öffentliche Hand mehr Leistung fürs Geld.

Und warum ist ausgerechnet der Wiedereinstieg in den Fernverkehr so wichtig?

Der Bund wird eine unserer Schlüssellinien, nämlich den Regio-Express Bern–Neuchâtel–La Chaux-de-Fonds, vom Regionalverkehr in den Fernverkehr verschieben. Schon nur um unsere Fahrgäste nicht zu verlieren, sind wir darauf angewiesen, eine Fernverkehrskonzession für diese Linie zu erhalten. Auf dieser Strecke fahren wir seit über 100 Jahren. Dabei ist es für die Fahrgäste nebensächlich, ob die Linie Bern–La Chaux-de-Fonds zum Regionalverkehr oder zum Fernverkehr gehört. Für uns ist das aber zentral. Denn der Fernverkehr wird im Gegensatz zum Regionalverkehr nicht durch die öffentliche Hand mitfinanziert. Fernverkehrslinien müssen wir also eigenwirtschaftlich betreiben können.

Neben Bern–La Chaux-de-Fonds geht es aber noch um andere Linien.

Ja, wir planen weitere überregionale Linien, die teilweise bereits heute und künftig zum Fernverkehr gehören werden, etwa Bern–Biel/Bienne, Bern–Burgdorf–Olten, Bern–Fribourg/Freiburg–Bulle und eben neu Bern–Neuchâtel–La Chaux-de-Fonds–Le Locle. Diese Linien sind nach unserem Wissensstand insgesamt defizitär. Deshalb müssen wir daneben ein paar profitable Fernverkehrslinien betreiben können, sonst fahren wir täglich Verluste ein. Sie sehen: Unsere Ideen werden also teilweise von finanziellen Rahmenbedingungen des ÖV-Systems getrieben. Dabei steht aber immer der Nutzen für die Fahrgäste im Fokus unserer Planungen.

Wie soll denn das künftige BLS-Netz aussehen?

Wir wollen unser RegioExpress-Netz, das heute aus vier Linien besteht, zu einem Netz aus sechs überregionalen Linien weiterentwickeln. Bis auf eine Linie fahren alle durch Bern hindurch. Dieses Netz ergänzen wir mit drei langen Fernverkehrslinien, die wichtige Tourismusregionen direkt mit dem Flughafen Zürich und der Hauptstadt verbinden. Auch diese drei Linien fahren alle durch Bern. Wir spielen also unsere Stärke aus, nämlich die Verankerung in der Hauptstadtregion. Und wir stellen den Bahnkunden deutlich attraktivere Verbindungen zur Verfügung.

Bern ist an sich ein Durchgangsbahnhof, wird aber aktuell in weiten Teilen noch als Kopfbahnhof betrieben. Das will die BLS ändern?

Viele Züge stehen heute in Bern eine halbe Stunde oder länger herum, anstatt direkt weiterzufahren. Wenn wir die in Bern endenden RegioExpress-Züge intelligent verknüpfen, dann beheben wir diese Ineffizienz und der Bahnhof kann entlastet werden. Es ist dieselbe Logik wie vor 30 Jahren bei der Einführung der S-Bahn Bern. Wir verbinden intensiv genutzte Linienäste zu durchgehenden Gesamtlinien. Zum Beispiel schaffen wir eine Linie zwischen den drei grössten Städten im Kanton Bern: Biel, Bern und Thun – mit Halt im Wankdorf. Das ist für die Fahrgäste eine tolle Sache. Um diesen Vorteil möglich zu machen, müssen wir die defizitäre Linie Bern–Biel/Bienne von der SBB übernehmen und sie mit rentablen Linien ergänzen können. Wir dürfen nicht vergessen, dass bis 2030 mit einem Viertel mehr Fahrgästen zu rechnen ist. Mit unserem geplanten Ausbau des Liniennetzes müssen wir dieses Verkehrswachstum bewältigen können.

Die BLS hört mitunter den Vorwurf, von diesen Ausbauplänen profitiere nur der Kanton Bern.

Die Hauptstadt ist quasi das ÖV-Herz der BLS, das stimmt. Doch wir wollen wachsen, indem wir Verkehrsangebote über Bern hinaus entwickeln. Wir fahren schon heute in sieben Kantonen und ins norditalienische Domodossola. Künftig möchten wir unser Einzugsgebiet mit überregionalen Linien erweitern – in der Romandie, im Mittelland, aber auch in der Nordwest- und Ostschweiz. Am Ende profitiert also die halbe Schweiz.

Das heisst, Bernerinnen und Berner sind einfach besser vernetzt?

Wenn wir künftig ab Interlaken Ost und Brig via Zürich HB an den Flughafen fahren, dann profitieren die Bahnkunden in beiden Richtungen. Die BLS will mit direkten Zügen die beiden einmaligen Tourismusmagnete Matterhorn- und Jungfrauregion an den Flughafen Zürich anbinden. Umgekehrt erhalten Reisende aus dem Oberwallis und aus dem Berner Oberland zu jeder Stunde einen Direktzug an den Flughafen. Mit unseren Fernverkehrszügen würden Interlaken stündlich, Spiez und Thun halbstündlich mit dem Flughafen Zürich verbunden. Bahnkunden wollen nicht mühsam umsteigen müssen. Erst recht nicht, wenn sie mit viel Gepäck unterwegs sind. Daher ist unsere Idee mit mehr Direktverbindungen ein grosser Vorteil für die Fahrgäste.

Was sind die Vorteile für unsere nördlichen Nachbarkantone, etwa den Aargau?

Aarau erhält viertelstündliche Züge nach Zürich. Das ist ein gewaltigerFortschritt für die vielen Pendler in der Kantonshauptstadt.Der Aargau ist einer der grossen Gewinner unserer Ideen.Aber auch Olten bekommt eine zusätzliche Verbindung zwischenBasel und Interlaken.

Und wer gehört sonst noch zu den Gewinnern?

Der Broyebezirk – wir werden ihn besser erschliessen, mit schnellen,direkten Zügen nach Lausanne und in die Hauptstadt. Und vorallem auch die Ostschweiz. Das Fürstenland mit Wil und Gossau
erhält seine direkte Verbindung in die Bundesstadt zurück.

Geht es bei der Konkurrenzsituation, die Sie eingangs angesprochen haben, auch um Ideen für besseren Service? Würde die BLS auf ihren Flughafenlinien zum Beispiel ein Catering oder WLAN anbieten?

Es ist unser Anspruch, den Reisenden auf den Flughafenlinien ein gutes Catering anzubieten. Klar ist, dass ein sehr guter Empfang in den Zügen gefordert ist. Denn es ist ja gerade ein Plus des Zugfahrens gegenüber dem Auto, dass man mobil arbeiten kann. Alle wollen heute unterwegs online sein – ob WLAN in Zukunft die richtige Lösung ist, das weiss jedoch derzeit niemand.

Könnten Fahrgäste ihr Billett im Zug lösen?

Ja, BLS-Kunden werden ihre Billette auch im Zug kaufen können – zu einem angemessenen Aufpreis. In Zügen, in denen man länger als nur 10 oder 15 Minuten reist, erachten wir den persönlichen Kontakt als wichtig. Wir wollen die Fahrgäste auf ihrer Reise begleiten, sie sollen sich in unseren Zügen wohlfühlen.

Sie haben angesprochen, dass die BLS mit ihren Ausbauplänen effizienter werden könnte. Wird Bahnfahren dadurch billiger?

Wir entlasten den öffentlichen Verkehr gesamthaft dank Effizienzgewinnen. Die Bahnkunden werden dies aber nicht direkt durch niedrigere Billettpreise spüren. Denn das gesamte ÖV-System ist preislich zentral gesteuert. Tarifsenkungen können wir nicht als einzelnes Unternehmen festlegen, das kann nur die gesamte Branche bestimmen. Aber die Kunden werden merken, dass sie für gleich viel Geld mehr Verbindungen und einen besseren Service erhalten. Mit unserem Konzept zusätzlicher überregionaler Linien durch Bern und neuer Züge nach Zürich ermöglichen wir 50 Prozent mehr Bahn in unserem Einzugsgebiet. Das zeigt eindrücklich, was wir meinen mit «mehr Leistung für gleich viel Geld».

Die BLS verfügt heute nicht über Züge, die auf langen Fernverkehrsstrecken eingesetzt werden können. Wie will sie solche Züge beschaffen?

Unsere Ideen sind langfristig ausgerichtet. Wir können natürlich nicht alles davon auf Ende 2017 umsetzen. Dazu müssen zum Teil auch noch Infrastrukturausbauten fertiggestellt werden, zum Beispiel die neue Entflechtung im Wylerfeld. Daher werden wir beim Bund eine gestaffelte Einführung unserer Ideen beantragen. Wie wir die dafür nötigen Züge beschaffen oder mieten, werden wir noch festlegen. Klar ist: Die BLS will ihren Fahrgästen erstklassige Züge bieten – wir arbeiten mit Hochdruck an den Vorbereitungen.

Die BLS hat vor Kurzem bekannt gegeben, dass Stadler Rail 58 neue Züge für sie produzieren wird. Werden diese auch im Fernverkehr fahren?

Die neuen Züge werden nicht für lange Strecken wie Brig–Romanshorn entwickelt. Sie werden aber auf überregionalen Linien fahren, etwa von Bern nach La Chaux-de-Fonds oder zwischen Bern und Olten.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass die BLS ihre Ideen wird umsetzen können?

Wir müssen beim Bundesamt für Verkehr (BAV), das über die Vergabe der Linien im Fernverkehr entscheidet, Anfang September ein Gesuch eingeben. Das ist ambitiös. Doch wir sind überzeugt, dass wir ein sehr gutes und zukunftsfähiges Konzept erarbeitet haben und erachten die Chancen deshalb als reell, Linien im Fernverkehr zu erhalten. Das BAV wird die Linien nur unter dem Aspekt vergeben, dass die Fahrgäste und der ÖV gesamthaft profitieren. Es ist jetzt unsere Aufgabe, dem BAV klar aufzuzeigen, dass der öffentliche Verkehr mit unseren Ideen besser wird.

Die Verhandlungen, in denen die BLS mit der SBB eine einvernehmliche Lösung gesucht hat, wurden im Februar abgebrochen. Wird die BLS mit der SBB nochmals das Gespräch suchen oder kommt es zum Showdown Ende Jahr, wenn der Bund über die Linienvergabe entscheidet?

Wir sind da stets offen geblieben und wollen selbstverständlich mit der SBB weiterhin in einem guten Dialog bleiben. Wir arbeiten in vielen Bereichen hervorragend zusammen. Das heisst natürlich nicht zwingend, dass wir uns nun einigen können. Wie es auch ausgeht, die SBB ist und bleibt die Schweizer Staatsbahn mit ihrem einmaligen Beitrag für den ÖV in der Schweiz, der international seinesgleichen sucht. Mit einem Wiedereinstieg der BLS in den Fernverkehr stärken wir diesen ÖV weiter – davon sind wir überzeugt.

Wann können die Fahrgäste erstmals mit der BLS nach Basel oder Zürich reisen?

Unser Traum ist es, dass der erste Zug auf den Fahrplanwechsel vom 10. Dezember 2017 die Leute von Basel SBB, Abfahrt 5.59 Uhr, via Bern nach Interlaken Ost mitnimmt. Wir hoffen sehr, dass wir als BLS die Chance erhalten, mit unserer Leistung den öffentlichen Verkehr in der Schweiz voranzubringen und als zentralen Pfeiler in der Mobilität zu stärken.

 

Text: Hugo Wyler, BLS
Fotos: Rahel Krabichler

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