Im Tell-Saal in Ostermundigen wird an diesem grauen Herbstnachmittag «gestrichen» und nicht «geswipped». So erklärt Kursleiterin Damaris Mühle geduldig und in angepasster Sprache den anwesenden Seniorinnen und Senioren die Check-In-Funktion in der BLS-Mobil-App. Skeptisch, aber auch interessiert, wischen die Kursteilnehmenden daraufhin über die Displays ihrer Smartphones – pardon, über die Anzeigen ihres Natels. Sie lernen damit eine wichtige und einfache Funktion, um in Zukunft Tickets mobil zu erwerben.
Fortschreitende Digitalisierung als Herausforderung
Für viele Fahrgäste ist es bereits Alltag auf diese Weise ein Billett zu beziehen. Über 70 Prozent der verkauften Fahrausweise werden bei der BLS bereits über digitale Kanäle verkauft, Tendenz stark steigend. Diese eindeutige Entwicklung hat die BLS zuletzt veranlasst, auf bargeldlose Automaten zu setzen, da diese im Betrieb deutlich günstiger sind. «Wir sind uns bewusst, dass es noch Reisende gibt, die mit den neuen digitalen Möglichkeiten nicht vertraut sind. Wir möchten aber, dass alle unsere Kundinnen und Kunden – unabhängig von ihrem technischen Vorwissen – die Vorteile der digitalen Welt nutzen können. Die BLS-App-Kurse sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung», erklärt etwa Silvia Kandera, Leiterin Kundenservices & Vertrieb bei der BLS.Rund ein Dutzend Personen haben das kostenlose Kursangebot an diesem Tag wahrgenommen. Die meisten davon haben über ein BLS Reisezentrum in ihrer Region vom Angebot erfahren. Aus dem Reisezentrum rekrutieren sich auch die Kursleitenden, wie Damaris Mühle, welche sonst als BLS-Reiseberaterin in Langnau tätig ist. Diese Nähe ist positiv für den Lerneffekt im Kurs: «Viele sind anfangs noch etwas unsicher in der Bedienung der App. Aber da uns die Kunden bereits kennen, fühlen sie sich schneller wohl und getrauen sich, mit uns die verschiedenen Funktionen auszutesten», bestätigt Damaris. Manchmal werden die Kurse aber auch über Seniorenvereine oder Kirchgemeinden angefragt.
Neugewonnene Unabhängigkeit
Die Fahrplanabfrage kennenlernen, Tickets lösen oder eine digitale Mehrfahrtenkarte kaufen. Das Programm für die Teilnehmenden ist intensiv: «Es ist schon viel Neues auf einmal», erklärt Kursteilnehmerin Franziska K., aber die drei anwesenden Reiseberater:innen beweisen viel Einfühlungsvermögen und beantworten jede Frage. So ist die Stimmung rasch gelöst und es wird auch mal gelacht. Etwa wenn versehentlich ein falsches Billett gelöst und vom Konto abgezogen wird. Doch Kursleiterin Damaris kann beruhigen: «Zum Glück können wir die fehlerhafte Bestellung jeweils unkompliziert vor Ort stornieren».
«Bisher hat jeweils mein Mann die Tickets für mich gelöst. Ich brauche zwar noch etwas Übung, aber ich bin froh, kann ich das in Zukunft nun selbstständig erledigen», bilanziert auch Franziska K. in der Kurspause. Ein erster Schritt ist damit getan. Doch Übung macht bekanntlich den Meister, mit jedem gelösten Billett wird das Selbstvertrauen steigen. Aber die Teilnehmenden werden auch nach Kursende nicht allein gelassen. «Falls jemand unsicher ist, kann er jederzeit bei uns im Reisezentrum vorbeikommen oder den Kundendienst kontaktieren», beendet Damaris Mühle ihre Ausführungen.
Und so wurde an diesem Nachmittag nicht nur gestrichen, sondern – bezeichnenderweise im Tell-Saal – auch ein Volltreffer gelandet: Digitalisierung muss nicht überfordern – sie kann auch verbinden. Mit dem Kursangebot wurde ein Raum geschaffen, in dem neue Technologien verständlich werden und ältere Fahrgäste mit Zuversicht in die digitale Zukunft starten können – Billett für Billett.