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Mensch ärgere mich nicht

Meine Güte, wie diese … Man sollte nicht «Weiber» sagen, ich weiss. Aber wie die mir auf den Geist gehen! Kurz nach Frick knallten erste Prosecco-Korken, schon vor dem Badischen Bahnhof ist der ganze Trupp hagelvoll, und es ist noch nicht mal 17 Uhr. Sie singen, plärren, johlen durch den Waggon. Offenbar ein Wochenendausflug – Turnverein, Volleyballclub, was auch immer. Jedenfalls ist mir diese Frauengruppe zu laut, verdammt viel zu laut. Denn ich möchte in Ruhe lesen …

Wie sagte der grosse Philosoph Jean-Paul Sartre? «L’enfer c’est les autres.» Die anderen sind die Hölle. Sind wir in der Öffentlichkeit unterwegs, lässt sich das schnell einmal sagen. Die Schuld am Ungemach ist dann so schön abgeschoben. Die anderen sind schuld! Die anderen nerven! In der Eisenbahn passt das fast immer. Nur ist es, ehrlich gesagt, ein bisschen hurtig zitiert. Denn Sartre meinte, die andern seien für einen die Hölle, weil man sich in ihnen spiegelt, weil man im Grunde die eigenen schlechten Seiten in ihnen erkennt. Und wenn man daran denkt, dass wir für alle anderen ja «der andere», «die andere» sind … Dann muss ich für die anderen zuweilen die Hölle sein. Ich merke es nur nicht.

Man wähnt ja stets die anderen im Unrecht. Als Skateboarder habe ich schon Fussgänger angeblafft, als Fussgänger schon Skateboarder. Bin ich, wie meist, auf dem Velo unterwegs, decke ich Autofahrer, die mir den Weg abschneiden, den Radstreifen versperren und die Vorfahrt verweigern, mit unflätigen Ausdrücken ein. Mehr als einmal liess ich mich zu obszönen Gesten hinreissen. Fahre ich stattdessen selten einmal selber Auto, ärgere ich mich über die Velofahrer, die Ampeln missachten und nachts ohne Licht herumkurven. Reise ich mit der eigenen Familie im Zug, machen wir ungeniert Lärm, spielen Karten, witzeln und lachen – warum nicht im Business-Waggon, wenn sonst nirgends Platz zu finden war? Sitze ich hingegen allein im Business-Abteil und möchte mich, über meinen Laptop gebeugt, auf einen Text konzentrieren, ärgere ich mich masslos übers Krakeelen und Greinen fremder Kinder.

Und, jetzt. Jetzt! Fahren meine Jungs und ich für drei Tage nach Deutschland. «Trainingslager», haben wir denen daheim gesagt. Aber was macht ein mässig ambitionierter Fussballklub während eines Ausflugs nach Deutschland? Ein Trainingsspiel bestreiten, klar. Am Sonntagmorgen dann, irgendwo in der Nähe von Frankfurt. Aber vorerst wird gefeiert, und die Party beginnt im Zug: mit Bier, Gelächter, faulen Sprüchen und Sound auf Volllautstärke. Die Hölle? Sind die anderen.

 

Bänz Friedli
Der Autor und Kabarettist Bänz Friedli (52) tourt derzeit mit seinem Programm «Ke Witz! Bänz Friedli gewinnt Zeit».

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